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Markovkerne/Produktmaße: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 20:29 So 17.04.2005
Autor: Astrid

Hallo allerseits und einen schönen Sonntagabend oder Montagmorgen!

Ich habe Probleme beim Verständnis von (Markov-)Kernen und Produktmaßen. Leider fällt es mir hier sehr schwer, eine konkrete Frage zu stellen, denn die (formale) Herleitung des Themas konnte ich zum größten Teil nachvollziehen. Mir fehlt aber noch immer eine (mathematische) Intuition dafür.

Ich wiederhole kurz die Definition, wie wir sie in der Vorlesung hatten:

Ich weiß beim besten willen nicht, warum er [mm] $\cal{A}_1$ [/mm] schreibt wenn ich \ cal { A } _ 1 eintippe und [mm] $\cal{A}_2$ [/mm] für \ cal { A } _ 2. Ich habe es jetzt aufgegeben und hoffe, man kann es trotzdem lesen!


[mm]K: \Omega_1 \times \cal{A} _2 \to \overline{\IR}[/mm] ist ein Kern von [mm](\Omega_1, \cal{A} _{1})[/mm] nach [mm](\Omega_2, \cal{A} _{2})[/mm], falls:
(i) [mm]K(\omega_1, \centerdot)[/mm] ist Maß auf [mm]\cal{A} _{2}[/mm]  [mm]\forall \omega _{1} \in \Omega_1[/mm]
(ii) [mm]K(\centerdot, A _2)[/mm] ist [mm]\cal{A} _{1}-\cal{B}\[/mm]-messbar [mm]\forall A_2 \in \cal{A} _{2}[/mm]
[mm] ($\cal{B}$ [/mm] ist [mm] Borel-\sigma-Algebra) [/mm]

Ich habe verstanden, dass abhängig vom Ergebnis des ersten Experiments das stochastische Modell für das zweite Experiment bestimmen kann. Daher auch die beiden Bedingungen.

Ich setze nun bei einer zentralen Aussage an, sie lautet:

Sei K ein [mm] \sigma-endlicher [/mm] Markovkern und [mm] \mu [/mm] ein [mm] \sigma-endliches [/mm] W-Maß. Dann existiert genau ein Maß [mm] $\mu \times [/mm] K$ auf [mm]\cal{A} = \cal{A}_1 \otimes \cal{A}_2[/mm] so dass
[mm]\forall A_1 \in \cal{A}_1[/mm] und [mm]\forall A_2 \in \cal{A}_2[/mm]:
[mm](\mu \times K)(A_1 \times A_2) = \integral_{A_1} K(\omega _1, A_2) \mu(d \omega _1)[/mm]
[mm] $\mu \times [/mm] K$ ist [mm] \sigma-endliches [/mm] Wahrscheinlichkeitsmaß und [mm] $\forall [/mm] A [mm] \in \cal{A}$ [/mm] gilt:
[mm](\mu \times K)(A)= \integral_{\Omega_1}K(\omega_1, A(\omega_1)) \mu(d \omega_1)[/mm]

Das war's.
Wie gesagt, den Beweis, auch durch ein anderes Lemma, habe ich eigentlich nachvollzogen. Ich finde die Aussagen trotz allem noch nicht so richtig "greifbar". Ich hoffe, ich konnte mein Problem einigermaßen verständlich machen...? Danke schon mal für die Mühe!

Der nächste Schritt wäre dann der Zusammenhang mit bedingten Erwartungen, dazu stelle ich aber noch eine neue Frage.

Viele Grüße
Astrid

        
Bezug
Markovkerne/Produktmaße: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 22:32 So 17.04.2005
Autor: Stefan

Liebe Astrid!

Da es dir ja in erster Linie um die Intuition geht, lassen wir die Mathematik mal ganz außen vor, okay? :-)

Was ist eigentlich ein Kern eines Produktraumes? Es stimmt, die Definition alleine macht das nicht wirlich deutlich. Erst wenn man sich mit der Theorie der stochastischen Prozesse etwas intensiver beschäftigt, bekommt man da ein gewisses Gespür für.

Ein Kern ist nicht anderes als ein Transport von dem einen W-Raum in den anderen W-Raum. Nehmen wir mal ein Beispiel:

Sagen wir, wir haben... (Gott, jetzt fällt mir wieder kein Beispiel ein, ja, was haben wir denn.... [kopfkratz]) ... okay, wir haben zwei Aktienkurse ([auslach] sehr originell, Stefan!! ;-)), die zufällig irgendwelche Werte annehmen. Sagen wir... Daimler-Chrysler und Deutsche Bank. (Steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir die als Sponsoren für vorhilfe.de gewinnen können, wenn ich die hier nenne? ;-)). Nehmen wir an, wir rechnen damit, dass die Aktie von Daimler-Chryler in fünf Tagen gerade irgendwo zwischen 80 und 120 liegt (was vermutlich völlig unrealistisch ist, aber ich habe keine Lust die Kurse nachzuschlagen). Und wir wissen, dass sich die Aktie der Deutschen Bank in Abhängigkeit vom Kurs von Daimler-Chrysler irgendwie in weiteren fünf Tagen (also in zehn Tagen insgesamt) bewegen wird. Wir kennen sogar (oder glauben zu kennen, denn als Finanzmathematiker wissen wir eigentlich gar nichts) die Verteilung des Kurses der Deutschen Bank in Abhängigkeit des Kurses von Daimler-Chrysler, fünf Tage später. So etwas nennt man unter bestimmten Voraussetzungen eine bedingte Verteilung, aber wir wollten die Mathematik ja außen vor lassen. ;-) (Weiterhin wissen wir statistisch auch, wie viele Leute Herr Ackermann [turn] dann wieder entlassen wird, aber das ist ein anderes Thema). Das könnte zum Beispiel normalverteilt sein mit Erwartungswert [mm] $\omega$ [/mm] und Varianz 5, keine Ahnung, wobei [mm] $\omega$ [/mm] der Kurs von Daimler-Chrysler nach fünf Tagen ist. Dann wäre also:

[mm] $K(\omega, \cdot) [/mm] = [mm] {\cal N}(\omega,5)$. [/mm]

(Ich benutze die Notation [mm] ${\cal N}(\mu, \sigma^{\red{2}})$. [/mm]

Und was ist jetzt

[mm](\mu \times K)([90,110] \times [100,110]) = \integral_{[90,110]} K(\omega _1, [100,110]) \mu(d \omega _1)[/mm]?

Ganz einfach! Das ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Aktie der Deutschen Bank zwischen $100$ und $110$ liegt, wenn ich weiß, dass die Aktie von Daimler-Chrysler zwischen $90$ und $110$ liegt.

Somit gibt mir allgemein

[mm](\mu \times K)(A_1 \times A_2) = \integral_{A_1} K(\omega _1, A_2) \mu(d \omega _1)[/mm]

an, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass mein Prozess [mm] $X_2$ [/mm] (auf [mm] $(\Omega_2,{\cal A}_2$) [/mm] in der Menge [mm] $A_2$ [/mm] landet, wenn ich davon ausgehe, dass sich mein Prozess [mm] $X_1$ [/mm] (auf [mm] $(\Omega_1,{\cal A}_1)$) [/mm] in [mm] $A_1$ [/mm] befindet. Somit wirkt $K$ als, sagen wir, omniscient mediator zwischen diesen beiden Räumen. $K$ weiß (in der Sprache der Verteilungen, nicht absolut!) genau, wie sich [mm] $X_2$ [/mm] verhalten wird, wenn sich [mm] $X_1$ [/mm] irgendwie verhält. Welche Rolle spielt dabei das [mm] $\mu$? [/mm] Man kann [mm] $\mu$ [/mm]  im Prinzip als Startverteilung von [mm] $X_1$ [/mm] betrachten!

Denn wenn ich wissen will, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich [mm] $X_2$ [/mm] in [mm] $A_2$ [/mm] aufhalten wird, wenn sich [mm] $X_1$ [/mm] in [mm] $A_1$ [/mm] aufhält, kann ich nicht einfach ganz naiv im Gleichverteilungs-(Lebesgue-)Sinne [mm] $\omega_1$ [/mm] über [mm] $A_1$ [/mm] integrieren. Nein, im Allgemeinen nicht, denn es könnte ja sein, dass sich [mm] $X_1$ [/mm] in manchen Punkten von [mm] $A_1$ [/mm] besonders gerne, in anderen aber vielleicht nicht so gerne aufhält. Sprich: Die Verteilung von [mm] $X_1$ [/mm] muss berücksichtigt werden!! Also, noch einmal etwas mathematischer: Wir hatten gesagt, dass für jedes feste [mm] $\omega_1 \in \Omega_1$ [/mm] der Wert

[mm] $K(\omega_1,A_2)$ [/mm]

die (bedingte) Wahrscheinlichkeit dafür beschreibt, dass ich mit [mm] $X_2$ [/mm] in [mm] $A_2$ [/mm] lande, wenn ich [mm] $\omega_1$ [/mm] kenne. Wenn ich jetzt wissen will, wie groß die (bedingte) Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass ich mit [mm] $X_2$ [/mm] in [mm] $A_2$ [/mm] lande, wenn [mm] $\omega_1$ [/mm] in [mm] $A_1$ [/mm] liegt, muss ich [mm] $\omega_1$ [/mm] eben über ganz [mm] $A_1$ [/mm] integrieren, aber gemäß der
Verteilung von [mm] $X_1$!! [/mm] Ich muss dann also:

[mm]\integral_{A_1} K(\omega _1, A_2) \mu(d \omega _1)[/mm]

bilden, was gerade [mm] $(\mu \times K)(A_1 \times A_2)$ [/mm] genannt wird (und sogar, hoppla!! (auf den ersten Blick ;-)) wieder ein Maß auf dem Produktraum ist). (Wenn man etwas fundierte Kenntnisse hat oder glaubt zu haben, ist dies intuitiv völlig klar.)

Ich hoffe ich habe dich mit meinen "Witzen" [bonk] nicht zu sehr genervt und konnte ihr ein bisschen von der Intuition, die hinter den Kernen steckt, nahebringen. :-)

Liebe Grüße
Stefan


Bezug
        
Bezug
Markovkerne/Produktmaße: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 08:49 Mo 18.04.2005
Autor: Stefan

Liebe Astrid!

Mein Antwort gestern war wohl etwas zu albern. ;-) Das kommt davon, wenn man  in nicht ganz nüchternem Zustand antwortet. ;-)

Also, hier noch einmal aus einer etwas anderen Sicht:

Jetzt betrachten wir das ganze mal auf einem gemeinsamen W-Raum, also [mm] $(\Omega',{\cal A}')=(\Omega,{\cal A})$. [/mm]

Nehmen wir mal an, unser Prozess [mm] $(X_t)_{t \ge 0}$, [/mm] der Werte im [mm] $\IR^d$ [/mm] annehmen soll, befindet sich zum Zeitpunkt $t=0$ im Punkt $x [mm] \in \IR^d$. [/mm] Weiterhin behaupten wir, dass wir die Zukunft von [mm] $(X_t)_{t\ge 0}$ [/mm] verteilungsmäßig kennen, wenn wir die Gegenwart kennen.

Wir behaupten also, dass wir die Verteilung von

[mm] $P(X_{t} \in \cdot |X_0=x)$ [/mm]

kennen und bezeichnen wir sie mit [mm] $P_t(x,\cdot)$. [/mm] Und da es uns entgegenkommt, nehmen wir an, dass [mm] $P_t$ [/mm] ein Kern ist. Ja, zusätzlich nehmen wir sogar an, dass

[mm] $P(X_{s+t} \in \cdot [/mm] | [mm] X_s [/mm] = x) = [mm] P(X_t\in \cdot |X_0=x)$ [/mm]

ist, sprich: Die bedingte Verteilung soll sogar zeithomogen sein.

Jetzt aber haben wir so viel angenommen, dass wir langsam auch mal was davon haben wollen. ;-)

Und zwar haben wir ja jetzt einerseits mit [mm] $\mu:=P_s(x,\cdot)$ [/mm] aus deiner Formel:

[mm] $(P_s(x,\cdot) \times P_t)(B_1 \times B_2) [/mm] = [mm] (\mu \times P_t)(B_1 \times B_2) [/mm] = [mm] \int\limits_{B_1} P_t(y,B_2) \mu(dy) [/mm] = [mm] \int\limits_{B_1} P_t(y,B_2) P_s(x,dy)$. [/mm]

Wir wissen aufgrund deines Satzes, dass [mm] $P_t(x,\cdot) \times P_s$ [/mm] ein W-Maß auf dem Produktraum ist. Ich hatte dir eine Intuition geliefert, die jetzt in neuem Licht erscheint: Es ist die bedingte Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir uns, wenn wir uns (beginnend in $x$) nach $s$ Zeiteinheiten in der Menge [mm] $B_1$ [/mm] befinden, nach weiteren $t$ Zeiteinheiten in der Menge [mm] $B_2$ [/mm] befinden.

Nun betrachten wir einmal:

[mm] $(P_s(x,\cdot) \times P_t)(\IR^d \times B_2) [/mm] = [mm] (\mu \times P_t)(\IR^d \times B_2) [/mm] = [mm] \int\limits_{\IR^d} P_t(y,B_2) P_s(x,dy)$. [/mm]

Das ist dann die bedingte Wahrscheinlichkeit dafür, dass wir uns, wenn wir uns (beginnend in $x$ )nach $s$ Zeiteinheiten irgendwo, nach weiteren $t$ Zeiteinheiten in der Menge [mm] $B_2$ [/mm] befinden. Aber wenn ich doch nur weiß, dass ich mich nach $s$ Zeiteinheiten irgendwo befinde, dann ist diese Information relativ unnütz. Dann würde ich doch erwarten, dass dies gleich der Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass ich mich (beginnend in $x$) nach $s+t$ Zeiteinheiten in der Menge [mm] $B_2$ [/mm] befinde. Wir erwarten also, dass

[mm] $(P_s(x,\cdot) \times P_t)(\IR^d \times B_2) [/mm] = [mm] P_{s+t}(x,B_2)$ [/mm]

gilt. Und genau das ist die Forderung einer Markovschen Halbgruppe von Kernen!!!

In der Sprache der Kerne muss gelten:

[mm] $P_{s+t}= P_sP_t$, [/mm]

was auch als Chapman-Kolmogorov-Gleichung bekannt ist. Ausgeschrieben bedeutet es also:

[mm] $P_{s+t}(x,B) [/mm] = [mm] \int P_t(y,B) P_s(x,dy)$. [/mm]

Die Wahrscheinlichkeit, nach $s+t$ Zeiteinheiten in der Menge $B$ zu landen, ist die gleiche wie nach $s$ Zeiteinheiten irgendwie zu landen und nach weiteren $t$ Zeiteinheiten dann in der Menge $B$.

So, ich hoffe das war diesmal besser. :-)

Liebe Grüße
Stefan

Bezug
                
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Markovkerne/Produktmaße: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 08:49 Di 19.04.2005
Autor: Astrid

Lieber Stefan,

vielen Dank für deine Antwort(en). Wobei, die erste hat mir besser gefallen... ;-) Ich habe deine Antworten übrigens an Kommilitonen weiterempfohlen, die auch die Prüfung machen.... :-) Was die jetzt wohl denken...? [angst]

Viele Grüße
Astrid

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Markovkerne/Produktmaße: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 09:44 Di 19.04.2005
Autor: Stefan

Liebe Astrid!

> vielen Dank für deine Antwort(en). Wobei, die erste hat mir
> besser gefallen... ;-)

Ich setze die russische W-Theorie-Tradition eben beharrlich fort: Kolmogorov hat sich bei seiner mathematischen Forschung immer einen ordentlichen Wodka genehmigt und konnte so am besten arbeiten. Shiryaev auch, meine ich. Naja, und mit Bier kommt man dann nur auf mein Niveau (der ersten Antwort). ;-)

> Ich habe deine Antworten übrigens an
> Kommilitonen weiterempfohlen, die auch die Prüfung
> machen.... :-) Was die jetzt wohl denken...? [angst]

Von dir oder von mir? ;-) Ist mir in meinem Fall aber relativ egal... schließlich bin ich aus der Academica raus und nur noch Hobbymathematiker. Also habe ich endgültig nichts mehr zu verlieren. ;-)

Liebe Grüße
Stefan


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