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Gedichtsinterpretation: Ich hab dich so lieb-ringelnat
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 17:28 Mi 07.12.2005
Autor: P-f-o-t-e

Hi Ihr!
Ich muss in deutsch ein Gedicht von Ringelnatz interpretieren und habe ehrlich gesagt keinen blassen schimmer, wie ich das machen soll.... ich habe echt hin und her überlegt aber mir ist rein gar nichts eingefallen, was ich dazu schreiben könnte... vielleicht könnt ihr mir ja ein paar ansatzpunkte geben.. wär echt nett... hier das gedicht:

Ich hab dich so lieb
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken

Ich habe dir nichts getan
Nun ist mir traurig zu Mut
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut

Vorbei - verjährt -
Doch nimmer vergessen
Ich reise
Alles was lange währt
Ist leise

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.

Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

danke schon im vorraus =)

Ich habe diese Frage in keinem Forum auf anderen Internetseiten gestellt.

        
Bezug
Gedichtsinterpretation: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 17:12 Fr 09.12.2005
Autor: Mysterya

Hallo !

Na von dem Dichter habe ich noch nie was gelesen, aber das macht nichts. Einmal ist immer das erste mal.

Also ich werde dir jetzt erstmal erzählen, wie Du am Besten vorgehst, dann zeig ich Dir ein paar meiner Gedankengänge zum Gedicht.

1. Lese dir den Text ein paar Mal durch und versuche ein Gefühl dafür zu bekommen. Der erste Eindruck, die ersten Gedanken, die einem unmittelbar beim Lesen einfallen, sind meist immer richtig und verwendbar. (Falls Dir was auffällt und sei's noch so absurd, schreibs auf nen Zettel)

2. Such Dir folgende Infos zusammen:
a)  Autor, Titel, Erscheinungsjahr und Stilrichtng bzw. Epoche
b) Anzahl d. Strophen und Verse pro Strophe, Reimshema, Versmaß
c) Gedanklicher Aufbau: D.h. du gehst Strophe für Strophe durch und überlegst, was der Inhalt von dieser Strophe ist ohne zu interpretieren! Einfach nur worum gehts (Schreib dir auf deinen Zettel am Besten Pro Strophe ein paar Inhaltliche Fakten auf)
d) Achte auf die Stimmung. Wie wirkt das Gedicht auf Dich? Lustig, Traurig, Negativ, Positiv ? (Notier dir deinen Eindruck) Woran könnte das liegen ?
e) Schau dir den Satzbau an. Sind es mehr kurze Sätze oder Wortgruppen oder eher lange anspruchsvolle Sätze.
f) Sprachliche Mittel: Guck nach Sachen wie Metaphern; Alliterationen usw.; ausdrucksstarke Adjektive, Substantive, Verben = Wortwahl ist wichtig ; fällt irgendwas besonders ins Auge ?
(Unterstreichen und aufschreiben) Nutze am Besten ein Buch wo sprachliche Mittel drin stehen und wie Du sie erkennst (Ich empfehle "Wissensspeicher Deutsch")

3. Wenn Du denkst, dass Du alles wichtige zusammen hast, gehts ans Schreiben. Hier ein Shema:
a) Zuerst schreibst Du die Einleitung und da erwähnst Du alles was unter 2a) steht kurz. Außerdem schreibst Du schonmal ganz kurz auf worum es in dem Gedicht geht. Z.B.

"In dem Gedicht "Ich habe Dich so lieb" von Joachim Ringelnatz, 19.... geschrieben, wendet sich das lyrische Ich an seine unbekannte Liebe und verleiht seinen tiefen Gefühlen und Gedanken Ausdruck."

b) Da du nun schon grob beim Inhalt gelandet bist, gehst Du jetzt tiefgründiger auf den Inhalt ein. Du gehst dabei Strophe für Strophe durch und formulierst, was Du inhaltlich verstanden hast.

c) Jetzt hast Du den Aufbau und den Inhalt, nun kommt der Teil, wo Du die sprachliche Seite mit einbringst und diese versuchst am Inhalt zu erklären - also zu interpretieren !!! Nach dem Motto: Der Autor verwendet das und das in Zeile so und so um das und das beim Leser zu bewirken. Um vom Inhalt zum sprachlichen Teil zu wechseln, lässt Du dir so eine Überleitung einfallen wie:

"Sprachlich gesehen...." oder "Betrachtet man den Aufbau und die sprachlichen Mittel im Verhältnis zum Inhalt so fällt auf..."

Jetzt fängst Du an das aufzuschreiben, was unter 2b) steht und ggf. auch 2e. Dann kommst Du auf die sprachlichen Mittel zu sprechen. Die darfst Du auf gar keinen Fall einfach nur aufzählen, sondern Du musst immer versuchen zu erklären, warum der Autor sie benutzt. Was sie bewirken sollen. Versuche auch deine Stimmungen und Eindrücke mit reinzubringen und am Inhalt zu beweisen.

d) Zum Schluss, solltest Du versuchen das Gedicht zeitlich konkreter einzuordnen und versuchen zu erklären, warum es zur jeweiligen Stilrichtung/Epoche gehört. Du kannst auch abschließned persönlich zum Gedicht Stellung beziehen (immer Begründung).


Nun einige Sachen die mir aufgefallen sind:

Autor und Einordnung:
- Joachim Ringelnatz  > Gedicht gehört wahrscheinlich zum Simplicissimus
- ist bekannt für seine humoristischen Gedichte, war Seemann reiste viel herum
- Lyrik ist oft sehr spielerisch, meistens eine Mischung aus Seemannsgarn, Moritaten, Nichtsnutz-Erkenntnissen, bitterer Zeitkritik und sanfter Verzweiflung

Inhaltlich:

1. Strophe: Lyrisches Ich tritt auf, wendet sich an seine Liebe, gesteht Liebe und tut sein Vertrauen gegenüber der Person kund.

2. Strophe: Hat die Person immer gut behandelt. Ist traurig > Liebe ist unglücklich verlaufen, Ginster (Natur) dienen der Ablenkung

3. Strophe: Es ist eine alte Liebe, die keine Chance mehr hat. Das lyrische Ich reiste sehr viel (darum war er oft von seiner Liebe entfernt), aber die alten Gefühle sind noch tief in ihm vorhanden.

4. Strophe: Spielerische Lyrik > Hund der nicht lesen und nicht schreiben kann als Symbol > ein Neuanfang oder ein Weitermachen hätte keine Zukunft mehr

5. Strophe: Nimmt die Erkenntnis wie auch durch den Hund dargestellt mit Humor auf. Hauptsache der Sieb hat noch seine Löcher > eventuell gleichbedeutend mit Hauptsache es geht uns sonst gut. An der Liebe ändert das nichts.


Sprachlich:

- 5 Strophen: 1. 2. und 5. Strophe mit 4 Zeilen, 3. mit 5 Zeilen, 4. mit 6 > unregelmäßig
- Ich konnte kein eindeutiges Versmaß erkennen, gebe aber keine Garantie auf diese Aussage
- kaum Satzzeichen, wenn dann Punkte und Gedankenstriche
- Reim: 1 Strophe: abcb, 2. Strophe: abab (Kreuzreim), 3. Strophe: abcac, 4. Strophe: ababcc (Kreuzreim mit anschließendem Paarreim), 5. Strophe aabb (Paarreim) > kein durchgängiges einheitliches Reimshema, das Gedicht hat aber Reim.

Dieses Unregelmäßige ist relativ typisch für einige Stilrichtungen der Moderne, weil man sich von der traditionellen alten Form abgrenzen wollte.

Übrigens finde ich, dass durch das ganze zusammengewürfele Reimsystem, das Gedicht irgendwie ein wenig unschuldig wirkt, so als hätte ein Kind versucht zu reimen und dabei einfach mal ein bisschen ausprobiert. Unschuld wiederum ist typisch fürs Thema liebe > Man liebt den anderen naiv und auch ohne das er Perfekt wäre. Vielleicht magst Du das ja mit in die Interpreatation nehmen.

Satzbau: relativ kurze Sätze, selten mal einer der 2 Zeilen beansprucht, manchmal nur Satzfragmente und Gedanken > parataktischer Satzbau

Sprachliche Mittel:
- Wiederholung: Erste und letzte Zeile ist gleich > Unterstreicht die Aufrichtigkeit der Liebe
- symbolhafte sprachliche Bilder: "Kachel aus dem Ofen" als Symbol für Vertrauen. Ofen = Symbol für Wärme > Zuneigung; Löcher im Sieb > symbolisiert die Ordnung (es ist noch alles ok)
- Anapher: ähnliche Satzanfänge Ich habe, Ich würde, Ich habe, Ich lache > wird viel mit Ich, mir, Du, Dir, Dich gearbeitet um die persönliche Beziehung zu unterstreichen
- Elilipse: "Vorbei - verjährt - Doch nimmer vergessen" (Verb, Artikel usw. fehlen)
- der nicht lesende und schreibende Hund erzielt außerdem einen komischen Effekt > humoristischer Schreibstil
- simple Wortwahl

So hoffe, dass es dir etwas hilft.

Mysterya

Bezug
                
Bezug
Gedichtsinterpretation: dankö
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 15:11 Fr 16.12.2005
Autor: P-f-o-t-e

hi Mysteria!
vielen dank für deine antwort.. hat mir sehr weitergeholfen..
respekt, ich wäre da nie von selber drauf gekommen...
danke nochmal, grüße, Pfote

Bezug
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