Ableitung der sin-Funktion < Trigonometr. Fktn < Analysis < Oberstufe < Schule < Mathe < Vorhilfe
|
Status: |
(Frage) beantwortet | Datum: | 11:12 Mo 09.06.2014 | Autor: | Sax |
Hi,
neulich bin ich auf dieses YouTube-Lehrvideo gestoßen.
Darin wird eine Herleitung zur Differentiation der trigonometrischen Funktionen vorgeführt.
Mein Bauchgefühl sagt mir (schreit mich an), dass da irgendwo irgendetwas faul sein muss. Die Herleitung kommt nämlich völlig ohne irgendeinen Grenzprozess, also ohne jede Analysis aus. Ich vermute, dass der Beweis eine Lücke enthält, oder dass irgendwo versteckt Eigenschaften der Sinus-Funktion benutzt werden, die sich nur mit Kenntnis von Grenzwerten, z.B. [mm] \limes_{x\rightarrow 0}\bruch{\sin x}{x}=1 [/mm] herleiten lassen. Aber ich komme einfach nicht darauf, an welcher Stelle das passiert.
Vielleicht hat jemand von euch schärfere Augen.
Gruß Sax.
|
|
|
|
Hallo Sax,
> Hi,
>
> neulich bin ich auf
> dieses YouTube-Lehrvideo gestoßen.
Da werden ja teilweise schon Sachen gemacht, wo es einem ein bisschen flau wird, aber eigentlich sind da auch ziemlich gute Ideen dabei.
> Darin wird eine Herleitung zur Differentiation der
> trigonometrischen Funktionen vorgeführt.
> Mein Bauchgefühl sagt mir (schreit mich an), dass da
> irgendwo irgendetwas faul sein muss. Die Herleitung kommt
> nämlich völlig ohne irgendeinen Grenzprozess, also ohne
> jede Analysis aus.
Man kann vor allem am Kreis Grenzprozesse teilweise auch durch geometrische Überlegungen ersetzen, und das ist hier auch geschehen in Form der Tatsache, dass Radius und Tangente eben am Kreis nun einmmal orthogonal sind.
> Ich vermute, dass der Beweis eine Lücke
> enthält, oder dass irgendwo versteckt Eigenschaften der
> Sinus-Funktion benutzt werden, die sich nur mit Kenntnis
> von Grenzwerten, z.B. [mm]\limes_{x\rightarrow 0}\bruch{\sin x}{x}=1[/mm]
> herleiten lassen. Aber ich komme einfach nicht darauf, an
> welcher Stelle das passiert.
> Vielleicht hat jemand von euch schärfere Augen.
Er setzt halt voraus, dass die Richtung der Tangente an eine vektorwertige Funktion eben der Vektor aus den Ableitungen der einzelnen Komponenten ist, das müsste man vielleicht noch zeigen, ist aber auch nicht sonderlich schwierig. Und da steckt ja dann letztendlich auch die Grenzwertbetrachtung, eben in allgemeinerer Form letztlich als Definition der Ableitung.
Ich habe den obigen Beweis auch schon einmal in irgendeinem Schulbuch gesehen, allerdings ohne Vektoren, sondern mit Hilfe der Beziehung
[mm] m_1*m_2=-1
[/mm]
für orthogonale Steigungen. Ganz elegant würde das, wenn man es mit Hilfe einer komplexen Rechnung machen würde, da gibt es ja auch den einen oder anderen Trick in dieser Richtung.
Ich hätte dir auch ein Beispiel:
Gesucht ist die Ableitung der Funktion f mit
[mm] f(x)=\wurzel{r^2-x^2} [/mm] ; [mm] |x|\le{r}
[/mm]
Das Schaubild ist ein Halbkreis mit Radius r, das ist klar. Die Steigung vom Ursprung zu einem Punkt [mm] P(x_0|f(x_0)) [/mm] bekommt man durch
[mm] m_r=\bruch{\wurzel{r^2-x_0^2}}{x_0}
[/mm]
Die Steigung der Tangente muss also
[mm] m_t=-\bruch{x_0}{\wurzel{r^2-x_0^2}}
[/mm]
sein.
Also ich sehe hier keinen Fehler, für Schüler höchstens noch etwas Erklärungsbedarf bei den vektrorwertigen Funktionen.
Gruß, Diophant
|
|
|
|
|
Status: |
(Antwort) fertig | Datum: | 19:02 Mo 09.06.2014 | Autor: | abakus |
> Hi,
>
> neulich bin ich auf
> > " title="Link zu https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=FQucqo8-ecA
> (neues Fenster)"
target="_blank">dieses YouTube-Lehrvideo gestoßen.
> Darin wird eine Herleitung zur Differentiation der
> trigonometrischen Funktionen vorgeführt.
> Mein Bauchgefühl sagt mir (schreit mich an), dass da
> irgendwo irgendetwas faul sein muss. Die Herleitung kommt
> nämlich völlig ohne irgendeinen Grenzprozess, also ohne
> jede Analysis aus.
Na und?
Bei der "Ableitung" der Funktion f(x)=m*x+n
braucht man auch keinen Grenzwertprozess, weil man weiß, dass der Anstieg überall m ist.
Hier wurde einfach eine besondere Situation geschickt ausgenützt bzw. ein relativ einfacher Grenzwertprozess durch andere mathematische Mittel (Ableitung eines Vektors) ersetzt.
Das ist nur scheinbar trivial. Ein Stück später wird auch die Ableitung der ln-Funktion scheinbar spielerisch (weil wieder ohne Grenzprozess) hergeleitet. Dabei ist es sicher aufwändiger, die Gültigkeit der dabei verwendeten Kettenregel zu beweisen, als einfach nur einen Grenzprozess für den Differenzenquotienten mit ln(x) zu führen.
Für Schüler ist das Video keine "leichtere" Alternative zum klassischen Vorgehen, aber für mich war es eine interessante Erweiterung des Horizonts.
Gruß Abakus
> Ich vermute, dass der Beweis eine Lücke
> enthält, oder dass irgendwo versteckt Eigenschaften der
> Sinus-Funktion benutzt werden, die sich nur mit Kenntnis
> von Grenzwerten, z.B. [mm]\limes_{x\rightarrow 0}\bruch{\sin x}{x}=1[/mm]
> herleiten lassen. Aber ich komme einfach nicht darauf, an
> welcher Stelle das passiert.
> Vielleicht hat jemand von euch schärfere Augen.
>
> Gruß Sax.
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 01:48 So 15.06.2014 | Autor: | Sax |
Hi,
danke für diese Antworten (auch wenn sie anders ausgefallen sind als ich erwartet hatte).
Gruß Sax.
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 02:04 So 15.06.2014 | Autor: | YuSul |
Man muss dabei natürlich auch beachten, dass Jörn Loviscach kein "echter" Mathematiker ist, sondern bei den Ingenieuren zu Hause ist.
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 10:34 So 15.06.2014 | Autor: | Diophant |
Moin,
> Man muss dabei natürlich auch beachten, dass Jörn
> Loviscach kein "echter" Mathematiker ist, sondern bei den
> Ingenieuren zu Hause ist.
Was ist ein 'echter Mathematiker'?
Gruß, Diophant
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 14:02 So 15.06.2014 | Autor: | YuSul |
Meiner Meinung nach jemand der "reine" Mathematik studiert hat, oder lehrt. Und nicht Mathematik für Physiker oder Ingenieursmathematik lehrt oder unterrichtet.
Das ist übrigens nicht abwertend gemeint, falls das so rüberkommt.
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 14:05 So 15.06.2014 | Autor: | Diophant |
Hallo Yusul,
> Meiner Meinung nach jemand der "reine" Mathematik studiert
> hat, oder lehrt. Und nicht Mathematik für Physiker oder
> Ingenieursmathematik lehrt oder unterrichtet.
> Das ist übrigens nicht abwertend gemeint, falls das so
> rüberkommt.
Nein, so habe ich es nicht verstanden. Ich finde eben nur den Begriff 'reine Mathematik' etwa genauso sinnvoll wie 'logische Logik'...
Gruß, Diophant
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 14:37 So 15.06.2014 | Autor: | Richie1401 |
Hi,
> Meiner Meinung nach jemand der "reine" Mathematik studiert
> hat, oder lehrt. Und nicht Mathematik für Physiker
Das würde ich aber mal sofort zurücknehmen
Kann ich wirklich überhaupt nicht unterstützen. Ich habe derzeit in meinem Physikstudium intensiver Mathematik betrieben als in meinem Mathe-Studium.
Und ich rede von keiner Lari-Fari-Mathematik oder Beweise und unsauberen Beweisen...
> oder
> Ingenieursmathematik lehrt oder unterrichtet.
Ingenieursmathematik kommt ja meist auch nicht weit hinein in die Mathematik. Wichtiger ist hier sicherlich auch die Anwendung.
Liebe Grüße!
> Das ist übrigens nicht abwertend gemeint, falls das so
> rüberkommt.
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 14:57 So 15.06.2014 | Autor: | YuSul |
Es macht doch irgendwie keinen Sinn, dass du in einem Physik Studium mehr Mathematik machst als in einem Mathematik Studium. Das könnte ja auch an dem Professor liegen oder an der Universität und ist sicherlich eher die Ausnahme.
Ich denke schon, dass die Trennung von "reiner" Mathematik zu angewandter Mathematik berechtigt ist.
Ich wollte jetzt aber auch keine Diskussion los lösen, ich wollte nur darauf hinweisen, dass der Professor in dem Video eher aus der "angewandten" Richtung kommt und in einem anderem Video auch sagte, dass Beweise definitiv nicht sein Spezialgebiet sind.
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 15:11 So 15.06.2014 | Autor: | Diophant |
Hallo Yusul,
> Es macht doch irgendwie keinen Sinn, dass du in einem
> Physik Studium mehr Mathematik machst als in einem
> Mathematik Studium. Das könnte ja auch an dem Professor
> liegen oder an der Universität und ist sicherlich eher die
> Ausnahme.
>
> Ich denke schon, dass die Trennung von "reiner" Mathematik
> zu angewandter Mathematik berechtigt ist.
>
> Ich wollte jetzt aber auch keine Diskussion los lösen, ich
> wollte nur darauf hinweisen, dass der Professor in dem
> Video eher aus der "angewandten" Richtung kommt und in
> einem anderem Video auch sagte, dass Beweise definitiv
> nicht sein Spezialgebiet sind.
mir macht das so den Eindruck, als ob man dir an der Uni ein paar Denkblockaden eingebaut hat: das in dem Video, das sind Beweise, sie werden auf ungewohnte Art und Weise geführt und sie setzen einiges Voraus (das ist mein einziger Kritikpunkt, dass er da nicht drauf eingeht). Bevor man so etwas vorschnell als Ingenieursmathematik o.ä. abtut, sollte man sich speziell in der Analysis mit den Arbeiten von Isaac Newton beschäftigt haben: selbiger hat nämlich auch am Ende seines Lebens eine bedeutende Arbeit zumindest begonnen, in welcher er sich gerade mit dem Gewinnen von Differentialquotienten auf rein geometrischem Wege beschäftigt, und da sind noch ganz andere Kaliber darunter als Sinus und Kosinus.
Die Zusammenhänge in der Mathematik sind vielfältiger als das, was man heutzutage so eingetrichtert bekommt und ich wiederhole mich: der Begriff 'reine Mathematik' ist Unsinn. Wenn ein Ingenieur Mathematik anwendet, macht er selbstverständlich auch reine Mathematik, was denn sonst?
Ich empfehle dir in diesem Zusammenhang das Werk
Anschauliche Funktionentheorie
von T. Needham. Dort wird ziemlich zu Beginn die Identität
[mm] e^{i*x}=cos(x)+i*sin(x)
[/mm]
eingeführt und aufgezeigt, wie aberwitzig umständlich letztendlich die heutige Methode ist, diese Identität über Potenzreihen zu beweisen (so wie man es eben auch gewohnt ist). Und diese Problematik hängt aufs engste mit der Ausgangsfrage zusammen!
Gruß, Diophant
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 16:59 So 15.06.2014 | Autor: | YuSul |
Von der Uni habe ich diese Sichtweise definitiv nicht. Innerhalb der Vorlesung wird eigentlich über nichts anderes gesprochen als über die Vorlesung.
Es ist eher meine persönliche Sichtweise.
Es gibt ja auch kuriositäten wie Biomathematik. Ich denke nicht, dass man das noch mit Mathematik vergleichen kann.
Die sprachliche Trennung von "reiner" zu angewandter Mathematik halte ich auch für einigermaßen sinnvoll.
Und es gibt zwar nicht sowas wie logische Logik, aber vielleicht gibt es ja eine "unlogische Logik".
Auf Mathematik bezogen "nichtmathematische Mathematik". So sind wir uns wohl alle einig, dass in der Schule im Mathematikunterricht keine Mathematik betrieben wird und es sich meistens aufs rechnen beschränkt. Mathematik ist wohl eher die Kunst der Beweise. Und ein Mathematiker, der in einer Bank/Versicherung arbeitet hat sogesehen mit Mathematik nichts mehr zu tun, sondern mit der angewandten Form davon (auch wenn ich nicht weiß was Mathematiker so in Banken/Versicherungen tun)
Jetzt dürft ihr mich gerne davon überzeugen, dass diese Sichtweise dumm ist.
|
|
|
|
|
Status: |
(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 22:10 So 15.06.2014 | Autor: | Richie1401 |
Hi,
innerhalb von 6 Semestern in meinem Mathematikstudium habe ich noch nix über Distributionen, Sobolevräume und dergleichen gehört! Das habe ich im 4. Semester des Physikstudiums aber schon gelehrt bekommen.
Oder noch drastischer: Im 2. Semester wurden wir mit alternierenden Differentialformen und gar dem Hodge-Stern-Operator konfrontiert. Das ist schon wahnsinn.
Und Physik ist ja nicht nur bisschen experimentieren oder ähnliches. Es gibt ja auch den Fachbereich Theoretische Physik und das sollte man nicht unterschätzen.
Dass der Herr Loviscach aus der eher praktischen Seite der Mathematik kommt ist auch kein Geheimnis. Er wird wohl nie eine Analysis Vorlesung für Mathematiker halten
|
|
|
|